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 "Streit" Feministische Rechtszeitschrift 03/2022 - Gewalt unter der Geburt – Bietet ein Arzthaftungsprozess Schutz?

 

 

Quelle: "Recklinghäuser Zeitung" 11.12.24 - Tina Brambrink

Tod durch Behandlungsfehler? Witwe von Jürgen Klahs kämpft um ihr Recht


Recklinghausen. Der beliebte Fußballtrainer starb 2020 an einem Herzinfarkt. Zwei Tage vorher hatte er im Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen in der Notaufnahme Hilfe gesucht. 

Sein überraschender Tod am 17. August 2020 hat auch viele Fußballfans in der Region sehr berührt. Jürgen Klahs war ein engagierter Fußballverrückter, als Spieler und als Trainer - geerdet, geradeheraus, emotional. Er stand für diverse Vereine, in Recklinghausen und in der Region, an der Seitenlinie. Der durchtrainierte Mann schien fit wie ein Turnschuh, joggte regelmäßig, fuhr Rad, kickte gerne noch mit. „Plötzlich klagte er nach einer Joggingrunde über starke Schmerzen in der linken Brust und Kurzatmigkeit bei Belastung", erinnert sich seine Frau Silvia. Am Samstag, 15. August 2020, fuhr sie deshalb mit ihm zum Knappschaftskrankenhaus in Recklinghausen.

Jürgen "Klahsi" Klahs war ein leidenschaftlicher Fußballtrainer. 2020 ist er im Alter von 64 Jahren gestorben. Seine Witwe Silvia Klahs ist überzeugt, dass er noch leben könnte. 

"Mein Mann wurde mitten aus dem Leben gerissen..."


Zwei Tage später fand die 64-Tährige ihren Mann morgens tot in seinem Bett. „Er war schon kalt", sagt Silvia Klahs. Sie kämpft mit Tränen. Auch mehr als vier Jahre später lassen die Erinnerungen sie schlecht schlafen. Aber vor allem eines macht ihr zu schaffen: „Mein Mann könnte noch leben, wenn die Arzte im Krankenhaus sich richtig um ihn gekümmert hätten." Denn was zunächst nur eine Vermutung war, wurde kurze Zeit später bestätigt. Um Gewissheit zu haben, ließen die Witwe und ihre beiden erwachsenen Söhne ihren verstorbenen Ehemann und Vater obduzieren. Und das erschütternde Ergebnis bestärkte die Witwe, weiter nachzuforschen.

Kein EKG und kein Labortest

Aber der Reihe nach: An besagtem Samstag im August 2020 wurde der bekannte Fußballtrainer zunächst von einer Ärztin in der allgemeinen Notfallpraxis am Knappschaftskrankenhaus untersucht. Trotz Nachfrage machte sie kein EKG und leitete ihn ohne den Hinweis auf mögliche kardiale Ursachen weiter zur Notfallambulanz des Knapp-schaftskrankenhauses. Auch dort wurden nach seinem Bericht von einem lange zurückliegenden Fahrradsturz nur Röntgenaufnahmen der Rippen gemacht. Für EKG und Troponin-Test sah der diensthabende (damalige) Assistenzarzt jedoch ebenfalls keine Notwendigkeit. Der Hausarzt könne zu einem späteren Zeitpunkt ein EKG machen, hieß es. Dann wurde Jürgen Klahs nach Hause geschickt. Zwei Tage später starb er - laut Obduktionsbericht an den Folgen eines Herzinfarktes. „Mein Mann wurde mitten aus dem Leben gerissen. Und das hätte nicht sein müssen. Meine Kinder und ich leiden nicht nur an dem Verlust, sondern auch an der Hilflosigkeit", betont Silvia Klahs. Die beiden waren 32 Jahre verheiratet. Während sie bis 2023 als Lehrerin an einer Realschule in Gelsenkirchen arbeitete, genoss der Spitzname des Verstorbenen, als ehemaliger Vermesser auf der Zeche Blumenthal in Recklinghausen seinen Ruhestand und sein Leben als Vollblut-Fußballtrainer. Ihren beiden Söhnen habe der plötzliche Tod des Vaters den Boden unter den Füßen weggezogen. "Deshalb habe ich mich auch entschieden, die Ungerechtigkeit und Oberflächlichkeit nicht einfach hinzunehmen und Anfang 2021 ein Gutachten bei det Ärztekammer Westfalen-Lippe in Auftrag gegeben." Nach einer zermürbenden Zeit des Wartens lagen schließlich im November 2023 drei Gutachten von drei Sachverständigen vor. Die Fachleute der Gutachterkommission bestätigten einen „gravierenden Befunderhebungsfehler" und "grobe Behandlungsfehler". Der unzureichende Behandlungsauftrag aus der Notfallpraxis entbinde den Arzt in der Notfallambulanz "nicht vom eigenen Nachdenken und Handeln", heißt es außerdem in der Begründung.

Da die medizinischen Experten auch Schadensersatzansprüche für gerechtfertigt hielten, beschloss Silvia Klahs, weiter für ihr Recht zu Auf diese Weise können alle kämpfen und holte sich mit Sabrina Diehl aus Herne eine Fachanwältin für Medizinrecht an die Seite. Für den tragischen Tod von Jürgen Klahs infolge eines Behandlungsfehlers haben sie Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Höhe von insgesamt 60.000 Euro geltend gemacht. Während die erstverursachende Ärztin aus der Notfallpraxis inzwischen im Ausland lebe und den Fall zusammen mit ihrer Versicherung aussitze, habe sich die HDI als Klinik-Versicherung im außergerichtlichen Verfahren zunächst kompromissbereit gezeigt, berichtet die Anwältin. Wobei Sabrina Diehl (43) in erster Linie die Klinik in der Haftung sieht. „Der Fehler, den die Ärztin in der Notfallpraxis gemacht hat, hätte nicht zum Tod geführt, wenn der Arzt in der Notfallambulanz vom Knappschaftskrankenhaus die richtigen Sofort-Maßnahmen vorgenommen hätte. Es wäre auch kein, Riesending für eine interdisziplinäre Klinik gewesen, ein EKG und einen Labortest zu machen. Jürgen  Klahs wäre operiert worden, hätte Stents bekommen und könnte heute noch leben." Stattdessen sei im Oktober 2024 die endgültige Absage der Regulierung von der HDI gekommen. "Der Skandal für mich ist, dass die Familie trotz bestätigter Fehler beider nicht nur ohne Vater, sondern auch mit dem Wissen dasteht, dass sich beide Beklagte weigern, für ihre Fehler geradezustehen", betont die Rechtsanwältin.

Klinik will gerichtliche Klärung

Auf Nachfrage bestätigt das Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen die Ablehnung der außergerichtlichen Einigung. „Die Klinikum Vest GmbH folgt in solchen Fällen grundsätzlich der Empfehlung ihres Versicherers. Dies entspricht der üblichen Vor-gehensweise, um eine faire und transparente Lösung im Sinne aller Beteiligten zu finden. Gerade bei komplexen Sachverhalten stellt die gerichtliche Klärung für beide Parteien den sachgerechten und angemessenen Weg dar. Auf diese Weise können alle Aspekte umfassend geprüft  und geklärt werden",  so Klinik-Sprecher Harald Gerhäußer.

Bis zuletzt hatte Silvia Klahs auf ein Einlenken gehofft. „Die Empathielosigkeit der Entscheidungsträger im Knappschaftskrankenhaus macht mich fassungslos. Unsere Trauerbewältigung wird durch das zermürbende Gerichtsverfahren nur noch weiter in die Länge gezogen." Aufgeben will die 64-Jährige trotzdem nicht. Ihren Kampf für Gerechtigkeit setzt sie jetzt mit einer Klage gegen Knappschaftskrankenhaus fort. „Zu Fehlern muss man stehen und dafür auch haften. Wenn alle schweigen, ändert sich nichts. Man muss doch als Patient ernst genommen werden. Ich möchte nicht, dass anderen auch so etwas passiert."


 "Streit" Feministische Rechtszeitschrift 03/2022 - Gewalt unter der Geburt – Bietet ein Arzthaftungsprozess Schutz?

 

 

Quelle: "WAZ" 05.12.24 - Jenny Beck

 

Gewalt unter der Geburt: „Ich hatte Todesangst“


Bochum. Eva Seifert muss einen Kaiserschnitt durchmachen – ungeplant. Eine Anwältin erklärt, warum das nun zu Schadensersatz führen könnte.

Wenn Eva Seifert von der Geburt ihrer Zwillinge spricht, ist ihre Miene hart, die Sätze sind kurz, ihre Augen glasig. Der Tag, den sie drei Jahre später als schlimmsten ihres Lebens bezeichnet, hat sich als posttraumatische Belastungsstörung in ihrem Alltag manifestiert. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt sie heute: „Ich habe Gewalt unter der Geburt erfahren.“ Damit ist Seifert nicht allein, wie Expertinnen und Experten versichern – zuverlässige Zahlen dazu gibt es allerdings nicht. Doch an Tagen wie dem Roses Revolution Day Ende November erzählen viele Frauen davon, wie sie im Kreißsaal beschimpft, beleidigt oder vernachlässigt wurden, auch von Eingriffen ohne Einverständnis ist die Rede. Seifert geht einen Schritt weiter: Sie sucht eine Fachanwältin für Medizinrecht auf. Einen Behandlungsfehler mit „gesundheitlichen Nachteilen für die Patientin“ bestätigt jüngst ein Gutachten der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL). Behandlungsfehler bei der Geburt: Einleitung, Wehenhemmer, Kaiserschnitt Es ist September 2021, Eva Seifert ist aufgrund der Pandemie allein in der Klinik. Um die Geburt einzuleiten, erhält sie ein Vaginalgel. Der gutachterliche Bescheid der ÄKWL bezeichnet die Dosierung im Nachhinein als fehlerhaft. Unserer Redaktion liegen die Gutachten vor. Demnach sei das Gel ein zweites Mal aufgetragen worden, obwohl die Bochumerin bereits Wehen hatte. Was folgte, waren „hyperfrequente Wehen“, für Seifert mit starken Schmerzen verbunden. Es habe sich angefühlt, als würde ihr Bauch platzen.Die Herztöne einer ihrer Söhne verschlechterten sich. Seifert bekam Wehenhemmer, die nicht halfen. Die beiden Kinder mussten per Kaiserschnitt geholt werden. Für Seifert der Horror: Während der Schwangerschaft war ihr eine Blutgerinnungsstörung diagnostiziert worden. Die Vorstellung, bei der Operation zu viel Blut zu verlieren, löste Panikattacken bei ihr aus: „Ich hatte Todesangst.“ Drei Jahre später erzählt sie, man habe sie nicht aufgeklärt, sie für die OP gefesselt, ihr ohne Betäubung einen Blasenkatheter „reingerammt. Ich habe mich vergewaltigt gefühlt.“

 

Psychische Gewalt spielt juristisch häufig keine Rolle

Vieles, was die Mutter in dieser Nacht erlebt, ist laut Anwältin Sabrina Diehl juristisch nicht relevant. Etwa die aus Seiferts Sicht mangelnde Empathie des anwesenden Personals. Es soll Seiferts Panik und die Schreie ignoriert haben. Mehr noch: „Hören Sie auf zu schreien“ und „Stellen Sie sich nicht so an“ habe es geheißen. Die Bochumerin berichtet von spöttischen Bemerkungen über ihre Intimfrisur. Diehl weiß: Mit Schilderungen psychischer Gewalt kommt man im Verfahren nicht weit. Die Fachanwältin für Medizinrecht vertritt seit 16 Jahren Patientinnen und Patienten. Bis heute hat sie rund 50 Frauen betreut, die sich wegen Problemen bei der Geburt an sie gewandt haben. Beraten habe sie weit häufiger, viele Patientinnen musste sie nach einem ausführlichen Gespräch abweisen. Medizinrecht sei komplex, sagt Diehl. Grundsätzlich zähle erst einmal jeder medizinische Eingriff als Körperverletzung. „Begibt sich eine Person aber bewusst in die Behandlung bei einem Arzt oder in einer Klinik, ist die Körperverletzung nicht mehr strafbar“, erklärt die Anwältin. Dennoch: Weicht eine Behandlung stark vom ärztlich anerkannten Standard ab, kann sie durchaus als Gewalt im juristischen Sinne gelten. Um die Chancen zu erhöhen, rät Diehl den meisten Müttern von einem Strafverfahren ab: „Bei zivilrechtlichen Verfahren haben wir günstigere Beweismaßstäbe.“

 

Gewalt im Kreißsaal: „Keine Klinik in Deutschland kann sich davon freisprechen“

Noch 2021 sucht Seifert Diehl auf, die Anwältin leitet ein Schlichtungsverfahren ein. Die betroffene Klinik im Ruhrgebiet stimmt zu, übernimmt die Kosten des Gutachtens. Darin hält die ÄKWL Ende Oktober 2024 fest: Die zweite Dosis Vaginalgel habe zu einer Überstimulation geführt, die den Kaiserschnitt nötig gemacht habe. Seiferts posttraumatische Belastungsstörung und körperliche Beschwerden seien infolge dessen aufgetreten. Schadensersatzansprüche halte die ÄKWL daher für gerechtfertigt. Benedikt Gottschlich weiß um das Problem, auch abseits von Behandlungsfehlern komme es in Kreißsälen zu verbaler und physischer Gewalt. Der Facharzt leitet die Geburtshilfe der Bochumer Augusta Kliniken. Hier tue man einiges, um Schwangeren eine sichere Geburt mit möglichst wenigen Interventionen zu ermöglichen. Eva Seifert hat nicht in den Augusta-Kliniken entbunden. Die Erlöse für die Geburtshilfe seien zu gering, so Gottschlich. Häufig müssten Kliniken mit nur einer Hebamme pro Schicht auskommen, darunter leide die Betreuung der Frauen. „Da gibt es deutlichen Nachbesserungsbedarf“, sagt der Facharzt. Eine Geburt, die von Frauen als traumatisierend empfunden wird, könne man vermeiden, indem man sie aufklärt, sensibel auf sie reagiert und sie mitentscheiden lässt. So empfänden Frauen ungeplante Eingriffe und Interventionen als weniger gewaltvoll.

 

Flashbacks und Albträume nach Geburt

Nach außen hin könnte man meinen, auch Seiferts Geburt ging gut: In ihrer Wohnung liegt Spielzeug, die beiden gesunden Zwillinge sind zum Zeitpunkt des Gesprächs in der Kita. Doch für die Sozialarbeiterin bestimmt ihre Erfahrung auf einer Geburtsstation im Ruhrgebiet auch drei Jahre später ihren Alltag. In Flashbacks erinnert sie sich an die Hilflosigkeit und die Todesängste, auch in ihre Träume begleiten sie die Bilder. „Lange habe ich Panikattacken bekommen, wenn mich jemand angefasst hat.“ Nur wenige Monate nach der Geburt ihrer Zwillinge brachten sie die Erinnerungen daran zum Äußersten. „Einfach um die Gedanken loszuwerden, wollte ich mich umbringen“, erzählt die Sozialarbeiterin. Es ist der Moment, in dem sie realisiert, dass sie Hilfe braucht. Noch am selben Tag geht sie in die Notaufnahme der LWL Klinik. Ihr wird eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, gängig bei Menschen, die Krieg oder Missbrauch erlebt haben. Ein achtwöchiger stationärer Aufenthalt und drei Jahre Therapie folgen.

 

Zivilverfahren: Außergerichtliche Einwilligung möglich

„Ich bin noch immer in Therapie“, sagt die 36-Jährige. Sie habe gelernt, mit der posttraumatischen Belastungsstörung umzugehen. Sie komme weder dem Leben mit ihren Kindern noch ihrer Arbeit in die Quere. Dennoch: „Die Flashbacks und Albträume werde ich wohl nie ganz los.“ Auch körperlich hat die Geburt ihre Spuren hinterlassen. Seifert spürt heute den Bereich zwischen Bauchnabel und Hüften nicht mehr, ihre Menstruation sei stärker und schmerzhafter als vor dem Kaiserschnitt. All diesen Risiken und Nebenwirkungen hat sie schriftlich zugestimmt – allerdings laut eigener Aussage unter Druck: „Man ist in dem Moment erpressbar. Erpressbar mit dem Leben seiner Kinder.“ Mit Fachanwältin Sabrina Diehl an ihrer Seite sei Eva Seifert etwas gelungen, was die Therapie nicht hergegeben habe: „Ich bin aus dem Opferstatus rausgekommen und habe mich gewehrt.“ Die Haftpflichtversicherung der betroffenen Klinik habe sich kürzlich bei der Anwältin gemeldet – um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen.

 


 "Streit" Feministische Rechtszeitschrift 03/2022 - Gewalt unter der Geburt – Bietet ein Arzthaftungsprozess Schutz?

 

 

Quelle: "WAZ" 22.06.24 - Werner von Braunschweig

 

150.000 Euro nach Beinamputation


Im Streit um einen ärztlichen Kunstfehler gab es eine Einigung: Patient erhält Schmerzensgeld

Mehr als vier Jahre nach einer womöglich vermeidbaren Beinamputation erhält ein Familienvater aus Herne nachhaltige Entschädigung - die verklagte Herner Klinik hat doch noch eingelenkt. Das Bochumer Landgericht bestätigte eine Beilegung des langjährigen Rechtsstreits durch einen außergerichtlich ausgehandelten Vergleich. 150.000 Euro Schmerzensgeld plus rund 20.000 Euro Verzugszinsen, außerdem die finanzielle Absicherung für den Ersatz aller künftig noch auftretenden kausalen Schäden: Auf diese Zahlungen und Verpflichtungen haben sich der Herner und die Klinikseite nach intensiven Verhandlungen verständigt, wie die Herner Rechtsanwältin Sabrina Diehl auf WAZ-Anfrage bestätigte. Die ursprüngliche Schmerzensgeldforderung hatte sich sogar auf 300.000 Euro belaufen. Nichtsdestotrotz zeigte sich die Fachanwältin für Medizinrecht mit der nun gefundenen Kompromisslösung sehr zufrieden. Denn mit ihrer Arzthaftungsklage hatte sie keineswegs allein auf ein hohes Schmerzensgeld abgezielt. „Die Zukunftsabsicherung für alle nicht vorhersehbaren, weiteren Schäden war für uns besonders wichtig", betonte Sabrina Diehl. „Und die haben wir jetzt er-reicht. Die Absicherung ist im Vergleich festgeschrieben." Der Familienvater hatte Anfang 2020 wegen einer Krebserkrankung in der Herner Klinik eine Chemo-und Strahlentherapie durchlaufen. Kurz danach waren bei ihm Durchblutungsstörungen und Schmerzen im rechten Bein aufgetreten. Doch dem Herner kam es so vor, als nehme man ihn gar nicht ernst. Die Schmerzen und Beschwerden wurden schlimmer, ließen sich aber letztlich weder durch zwei Operationen in Herne noch nach einem Klinikwechsel in Dortmund (zwecks Einholung einer Zweitmeinung) lindern. Fatal: Erst in Dortmund waren aus Sicht eines medizinischen Sachverständigen diejenigen OP Maßnahmen am Bein des Herners ergriffen worden, die zuvor in der Herner Klinik schon dringend angebracht gewesen wären. „Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät", hatte sich der Gutachter vor der 6. Zivilkammer am Bochumer Landgericht festgelegt. Die dramatische Folge ließ sich nicht mehr verhindern: Am 24. März 2020 musste dem Herner in einem Dortmunder Hospital das rechte Bein amputiert werden.

 

"Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät." Gutachter vor der 6. Zivilkammer am Bochumer Landgericht zu der Behandlung des Patienten in Dortmund, die seiner Auffassung nach schon in Herne hätte stattfinden müssen.

 

Auf Beinprothese angewiesen

Dass die dafür ausschlaggebenden ärztlichen Kunstfehler zuvor in Herne passiert sind, stand für zwei Sachverständige völlig außer Frage. Sie unterstellten der Klinik, erst zu lange untätig geblieben zu sein und dann operativ „unvollständig" und „inkonsequent" gehandelt zu haben. „Das Vorgehen ist mir völlig schleierhaft", hatte ein Gutachter erklärt. Unisono hatten beide Sachverständige mit ihrer Hauptkritik aber auf einen viel frühzeitigeren, „groben Behandlungsfehler" abgestellt: die Nichtgabe von gerinnungshemmenden Medikamenten spätestens mit Beginn der Chemotherapie. Allein durch eine bloße Prophylaxe mit „ASS 100" oder Heparin wäre das Thromboserisiko bei dem Patienten „signifikant gesunken", hieß es. Die Erfolgschancen für einen Erhalt des Beines hätten jedenfalls mehr als 50 Prozent betragen. Heute ist der Herner auf eine Beinprothese angewiesen. Trotz vieler Rückschläge hat er sich zurück in einen Vollzeit-Job gekämpft. Sein Auto hat er auf seine Bedürfnisse (Gaspedal links) umbauen las-sen. „Doch all das kostet einfach unheimlich viel Geld", so Rechtsanwältin Sabrina Diehl. Durch die im Vergleich festgehaltene „Zukunftsabsicherung" sehe der Familienvater jetzt aber mehr Licht am Ende des Tunnels. Nicht zuletzt auch hinsichtlich einer bestmöglich passenden Prothese. Weder die Herner Klinik noch der Kläger hatten im Hauptverhandlungstermin vor der 6. Zivilkammer am 24. April Vergleichsbereitschaft erkennen lassen. Der verklagte Klinik-Träger und ein Versorgungszentrum hatten Klageabweisung beantragt, ein Urteilstermin war bereits festgelegt, dann aber nach dem Hinweis auf angelaufene Vergleichsverhandlungen verschoben worden. Die Gespräche, die letztlich eine Einigung hervorbrachten, fanden ausschließlich zwischen den Streitparteien statt. Das Gericht hat den schriftlich formulierten Vergleichstext per Beschluss festgestellt.

 

 

 


 "Streit" Feministische Rechtszeitschrift 03/2022 - Gewalt unter der Geburt – Bietet ein Arzthaftungsprozess Schutz?

 

 

Quelle: "Ruhr Nachrichten" 23.05.24 - Werner von Braunschweig

Umstrittene Amputation: Einigung im Schmerzensgeld-Streit?


Dortmund/Herne/Bochum. Nach einer umstrittenen Amputation fordert ein Krebspatient 300.000 Euro Schmerzensgeld. Die verklagte Herner Klinik ist inzwischen gesprächsbereit.

Die Entscheidung über die 300.000-Euro-Schmerzensgeldklage eines Familienvaters (35), dem vor vier Jahren in einem Dortmunder Krankenhaus ein Bein amputiert werden musste, ist vertagt worden. Der geplante Verkündungstermin am Bochumer Landgericht wurde verschoben. Wie eine Gerichtssprecherin bestätigte, haben beide Streitparteien mitgeteilt, dass sie sich aktuell in außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen befinden. Im ersten Gerichtstermin vor der 6. Zivilkammer am 24. April war diese Option von beiden Seiten noch rigoros ausgeschlossen worden. Der Verkündungstermin wurde nun auf den 12. Juni verschoben. Sollte bis dahin tatsächlich eine Einigung über Schmerzensgeld und Schadenersatz zustande kommen, würde auch der neu anberaumte Verkündungstermin aufgehoben. Der Kläger und seine Rechtsanwältin Sabrina Diehl sind fest davon überzeugt, dass der 35-Jährige im März 2020 in dem Dortmunder Krankenhaus „das Bein nicht hätte verlieren müssen". Der Familienvater fordert 300.000 Euro Schmerzensgeld, außerdem die Feststellung, dass ihm nach der Bein-Amputation auch sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen sind. Verklagt ist nicht das Dortmunder Krankenhaus, sondern eine Herner Klinik. Denn einige Wochen bevor der 35-Jährige im März 2020 zum Einholen einer Zweitmeinung in das Dortmunder Krankenhaus gewechselt war, hatte er in der Herner Klinik eine Chemo- und Strahlentherapie durchlaufen. Dabei waren schon früh Durchblutungsstörungen und Schmerzen im rechten Bein aufgetreten, die sich auch durch zwei Operationen in Herne nicht lindern ließen.

 

„Es war bereits zu spät"

Nach dem Klinikwechsel nach Dortmund wurde der dramatische Befund bestätigt. „Folgerichtig", so ein Gutachter im Prozess, wurden dann in dem Dortmunder Krankenhaus auch Maßnahmen ergriffen, die aus seiner Sicht zuvor in Herne vorwerfbar ausgeblieben waren. „Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät", legte sich der Gutachter fest. Eine Beinamputation ließ sich nicht mehr verhindern. Gleich zwei befragte medizinische Sachverständige bescheinigten den Herner Ärzten zuletzt im Prozess „grobe Behandlungsfehler". Die Kritik konzentrierte sich vor allem auf die Nichtgabe von gerinnungshemmenden Medikamenten (ASS oder Heparin) spätestens mit Beginn der Therapie. Außerdem sei die Herner Operationsstrategie zu bean-standen. Dringend erforderliche operative Maßnahmen seien trotz hochgradiger Verdachtsmomente ausgeblie-ben. Aufseiten der verklagten Klinik war bisher immer der Standpunkt vertreten worden, die Behandlung sei einwandfrei gewesen. Angesichts der deutlichen Fehler-Kritik der zwei medizinischen Experten erfolgte möglicherweise nun doch ein Umdenken.

 

 

 


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