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Urteil vom 26.05.2020 - BGH VI ZR 213/19 - Krebsvorsorge: Radiologe haftet trotz unauffälligen Screenings

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bestätigte die Haftung eines Radiologen

Im Rahmen einer Krebsvorsorgeuntersuchung wurde eine Frau 2012 bei einem Radiologen vorstellig. Sie teilte dem Arzt mit, dass eine ihrer Brustwarzen seit einiger Zeit eingezogen sei. Daraufhin veranlasste der Radiologe eine Mammographie, die er als Normalbefund ohne Auffälligkeiten bewertete. Auf die Möglichkeit und die Notwendigkeit, die Mamillenretraktion (Einziehung der Brustwarze) weiter abklären zu lassen, wies der Arzt nicht hin.

Etwa zwei Jahre später stellte sich die Frau aufgrund der fortschreitenden Einziehung ihrer Brustwarze erneut vor. Nach nunmehr weiteren Untersuchungen wurde die Diagnose Brustkrebs gestellt. Der Frau wurden in anschließenden Operationen Karzinome und Lymphknoten entnommen, nachdem Metastasen festgestellt wurden. In weiteren Operationen musste ihr noch mehr Gewebe entfernt werden. Im Anschluss erhielt die Patientin Bestrahlungen und Chemotherapie.

Die Frau verklagte den Radiologen. Sie warf ihm vor, dass bei korrektem Vorgehen der Brustkrebs früher erkannt und behandelt worden wäre, nämlich als der Krebs noch nicht gestreut hatte und die Lymphknoten noch nicht befallen waren. Dann hätte sie keine Chemotherapie benötigt und auch die Anzahl der Bestrahlungen wäre geringer ausgefallen.

Die Gerichte (LG Heilbronn, Entscheidung vom 19.01.2017 - Ri 1 O 20/15 und OLG Stuttgart, Entscheidung vom 07.05.2019 - 1 U 16/17) gaben der Frau recht und sprachen ihr 10.000 Euro Schmerzensgeld nebst Ersatz des materiellen Schadens zu. Der angeklagte Radiologe ging vor den Bundesgerichtshof in Revision.

Auch der Bundesgerichtshof gab der geschädigten Frau Recht und wies die Berufung des Arztes ab. Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass der für die Auswertung eines Mammographie-Screenings verantwortliche Arzt alle Auffälligkeiten zur Kenntnis zu nehmen habe, die er aus berufsfachlicher Sicht unter Berücksichtigung der in seinem Fachbereich vorausgesetzten Fähigkeiten und Sachkenntnisse sowie Behandlungssituation feststellen müsste. Er darf sich somit nicht nur auf das Bildmaterial des Screenings verlassen, sondern muss sämtliche Begleiterscheinungen in seiner Entscheidung miteinbeziehen.

Der Radiologe sei zu einer ordnungsgemäßen Durchführung des Mammografie-Screenings und zu einer sorgfältigen Befundung unter Einbeziehung der im Rahmen der Anamnese gewonnenen Erkenntnisse verpflichtet, so der Bundesgerichtshof. Dieser Sorgfaltspflicht sei der Arzt nicht nachgekommen. Auch bei einem unauffälligen Mammographie-Screening sollte eine weitere Abklärung (z. B. durch Tastbefund oder Sonographie) erfolgen. Dies entspräche dem Facharztstandard und ist im Rahmen der Brustkrebsvorsorge Routine.

Ein Arzt muss bei jedem Verdacht auf eine Erkrankung, der im Rahmen der Untersuchung und im Anamnesegespräch möglich erscheint und der auf eine ernst zu nehmende Erkrankung hinweisen könnte, schnellsten diagnostisch abklären, um Schädigungen des Patienten auszuschließen. Er darf Auffälligkeiten, die ihm zur Kenntnis gelangen, nicht einfach übergehen. Sogar vor „Zufallsbefunden“ darf er nicht die Augen verschließen. Die Pflicht des Arztes, Auffälligkeiten zur Kenntnis und zum Anlass für die gebotenen Maßnahmen zu nehmen, bestehe erst recht dann, wenn - wie vorliegend - Zweck der Untersuchung die Früherkennung einer Krebserkrankung ist und es sich um eine angegebene Auffälligkeit handele, die auf eben eine solche Krebserkrankung hindeuten könne, so die ausführliche Begründung des Gerichts.

 

Nachzulesen in: www.juris.bundesgerichtshof.de

Zusammengefasst von Fachanwältin für Medizinrecht Sabrina Diehl 


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