Die Geburt ihrer Tochter wird für Karin zum Horror-Trip. Exklusiv in CLOSER spricht sie über ignorante Ärzte und unfassbare Schmerzen …
Eine blutige Szene im „Tatort“, ein grünes Hemd, das Klappern von Besteck – all das kann bei Karin Weber (35) aus Morschheim (Rheinland-Pfalz) Flashbacks auslösen. Erinnerungen an furchtbare, blutgetränkte Tücher und kaltherzige Ärzte. Es ist der Tag, an dem ihre Tochter Ronja per Kaiserschnitt zur Welt kommt – der schlimmste Tag ihres Lebens. Denn als die Operation beginnt, wirkt die Betäubung nicht …
Karin wünschte sich immer, dass ihr Baby in einem warmen Nest zur Welt kommt, nicht inmitten von hektischen Ärzten und weißen Kitteln – sie wollte eine Hausgeburt. Doch nachdem die Fruchtblase platzt, schreitet die Geburt nicht voran, schließlich entscheidet Karin sich, in die Klinik zu fahren. „Bis zu diesem Zeitpunkt ging es mir noch gut“, sagt sie zu CLOSER. Im Krankenhaus läuft jedoch alles aus dem Ruder: Ronja soll per Kaiserschnitt zur Welt kommen. Trotz Zweifeln willigt Karin ein. Mehrfach, sagt sie, habe sie die Ärzte darauf hingewiesen, dass örtliche Betäubungen bei ihr nicht anschlagen. „Ich habe den Arzt um ein Beruhigungsmittel gebeten, doch er lachte mich nur aus“, so Karin.
Als sie in den OP-Saal geschoben wird, fürchtet sie sich. „Ich war mit Lederriemen an der Liege befestigt. Damit ich nicht vom OP-Tisch falle, sagten die Ärzte.“ Während Karin immer panischer wird, soll im Saal Feierabendstimmung geherrscht haben. Skalpelle werden geschwenkt und Witze gerissen – doch Karin ist nicht zum Scherzen zumute. „Ich habe noch nie in meinem Leben solche Angst gehabt – und es hat keinen interessiert.“ Dann spürt Karin – trotz Betäubung! – die Hände des Arztes auf ihrem Bauch. „Das ist normal, hat er gesagt“, erzählt Karin. Doch nichts ist normal.
Als die Ärzte zu operieren beginnen, spürt sie alles! Ein Schneiden, ein unfassbares Brennen und dann ein Ziehen, das ihr nahezu die Sinne raubt.
„Das hat so wehgetan“, sagt sie heute. „Als die Bauchmuskulatur auseinanderriss, hörte sich das an wie bei einem Klettverschluss.“ Karin schreit wie am Spieß – Ehemann Ingo steht hilflos daneben, versucht verzweifelt, seine Frau zu beruhigen. Vergeblich. Keiner der Ärzte reagiert. Warum? Das versteht das Ehepaar bis heute nicht.
Über Minuten fühlt sich Karin den Ärzten ausgeliefert. Minuten, die sich wie Hunderte Jahre anfühlen. „Die Schmerzen brennen sich bei den Patienten regelrecht ein“, weiß Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke aus Essen. „Da ist dann ein Gefühl von Hilflosigkeit, das grundlegende Sicherheitsempfinden geht verloren.“
Als Töchterchen Ronja auf der Welt ist, weint ihre Mutter keine Freudentränen. Sie kann nichts mehr fühlen. Zum Schluss hätte ihr ein Pfleger doch noch eine Beruhigungsspritze verpasst, sagt Karin. „Ich habe gedacht, jetzt sterbe ich – so fühlte sich das an.“ Sie wird bewusstlos. Als sie wieder aufwacht, liegt die junge Frau noch im OP-Saal. „Ich sah, wie sie mein Blut aufwischten und Müllsäcke durch die Gegend warfen“, sagt sie.
Das alles geschah am 17.Juni 2013. Über die Ereignisse zu reden fällt Karin auch ein Jahr später schwer. Ihre Augen füllen sich mit Tränen, die Unterlippe zittert im CLOSER-Gespräch. Trotzdem wendet sie sich jetzt an die Öffentlichkeit – auch, um andere werdende Mütter zu warnen! Sie rät jeder Patientin dazu, auf ihre Intuition zu hören. „Wenn man ein schlechtes Bauchgefühl hat, dann sollte man einfach gehen.“ Die Klinik in Rheinland-Pfalz streitet die Vorwürfe ab.
Für Karin das Schlimmste: „Ich weiß, dass Fehler passieren. Aber wie mit mir umgegangen worden ist und dass ich keine Entschuldigung erhalten habe, verkrafte ich nicht.“
Dabei hätte das Mitgefühl der Ärzte ihr durchaus helfen können, glaubt Psychotherapeut Lüdke. Auch Wertschätzung würde helfen, sie zu heilen. „Dadurch, dass niemand ihr Leiden anerkannt hat, wird sie ein zweites Mal zum Opfer. Man fühlt sich mit seinem Problem ganz alleingelassen und ist schwer gekränkt.“
Halt findet Karin jetzt in ihrer kleinen Familie. Töchterchen Ronja ist ein Sonnenschein. „Von Geburt an hat sie fast jede Nacht durchgeschlafen“, erzählt Mama Karin stolz – so als würde die Kleine spüren, dass ihre Mutter nicht noch mehr Stress ertragen kann. Auch aus ihrer Arbeit schöpft Karin Kraft. Die Pferdetrainerin hat vier eigene Tiere. „Wenn ich mit ihnen zusammen bin, dann lebe ich im Hier und Jetzt“, sagt sie. Trotzdem kann sie sich auch im Beruf nicht ganz von ihrem Trauma frei machen. „Die Arbeit mit den Tieren fällt mir leichter als mit den Menschen“, sagt Karin. „Ich habe mein Urvertrauen verloren.“
Ein zweites Kind: für sie ausgeschlossen. „Früher war das eine Option, jetzt würde ich mich am liebsten sterilisieren lassen.“
Eigentlich bräuchte die junge Mutter eine Trauma therapie, um die Erlebnisse aufzuarbeiten. „Ansonsten kann es zu einer posttraumatischen Belastungsstörung kommen“, so Christian Lüdke. Die Symptome: Schlafstörungen, Erinnerungs-Flashbacks und Depressionen. Doch die Behandlung übernimmt die Krankenkasse nur, wenn Karin sich für einen Therapeuten entscheidet, der von der Kasse bezuschusst wird. Für Karin unmöglich. „Ich war seit einem Jahr bei keinem Arzt mehr, nicht mal zur Nachsorgeuntersuchung, ich muss mir meinen Psychologen selbst aussuchen dürfen.“ Karin Weber klagt nun gegen das Klinikum, in dem sich ihr Leben für immer veränderte.
Ihre Erfolgsaussichten stehen gut! Sie wolle dem Arzt, der ihr so viel Leid angetan hat, in Erinnerung bleiben, sagt sie. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand meine abartigen Schreie je vergessen kann.“
Das Verhalten der Ärzte ist unerklärlich
Was die Anwältin Sabrina Diehl (33) aus Marl zu diesem Fall sagt:
Wie viele Frauen kommen mit so einem Fall zu Ihnen?
Es werden mehr. In den letzten anderthalb Jahren sind acht bis neun Frauen zu mir gekommen.
Wie groß sind die Erfolgsaussichten, wenn der Fall vor Gericht geht?
Das hängt vom Einzelfall ab. Generell stehen die Chancen gut, zumindest einen Traumatologen an die Seite gestellt zu bekommen, der hilft, das Geschehene zu verarbeiten. Im Falle von Frau Weber sind auch die Chancen auf Schadensersatz hoch, da ein Zeuge, ihr Ehemann, mit dabei war und das Erlebte bestätigen kann. Wir klagen auf 30.000 Euro Schmerzensgeld.
Wie erklären Sie sich das Verhalten der Ärzte aus anwaltlicher Sicht?
Es ist mir unerklärlich! Ich finde das unmenschlich und weiß nicht, warum bei Frau Weber niemand reagierte. Wenn eine Frau vor der OP sagt, dass sie noch etwas spürt, darf das nicht ignoriert werden!
Was würden Sie einer Frau, der so etwas passiert, raten?
Sie sollte die Geschehnisse auf jeden Fall dokumentieren. Oft sind ja auch die Väter dabei und können ein Protokoll anfertigen. Es hilft auch, die Klinikleitung zu informieren, bevor man einen Anwalt einschaltet. Viele Betroffene wünschen sich einfach eine Entschuldigung.