Patientenanwältin Sabrina Diehl zu medizinischen Sachverständigengutachten
MEDIZINRECHT. Ein oft diskutiertes und für viele brisantes Thema des Medizinrechts ist das medizinische Gutachten. In einem Arzthaftungsprozess wird grundsätzlich ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Auch außergerichtlich gibt es für Patienten verschiedene Möglichkeiten, ein Sachverständigengutachten zur Klärung der Frage, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, einzuholen.
Doch oft trauen viele geschädigte Patienten den Gutachtern nicht. Nicht selten besteht diese Angst auch bei Gutachtern, die durch das Gericht berufen werden. Gefordert wird eine sogenannte fachgleiche Begutachtung. Das heißt, dass ein Gutachter aus dem Fachgebiet eingeschaltet wird, in dem auch der beschuldigte Arzt tätig war. Da ist die Angst groß, dass sich beide Ärzte kennen, vielleicht sogar schätzen oder der Gutachter womöglich aus anderen Gründen befangen ist.
Vorab erhalten beide Parteien eines Prozesses die Gelegenheit, Stellung dazu zu nehmen, ob Einigkeit über die Beauftragung eines bestimmten Sachverständigen besteht. Hier kann der Patient also mitentscheiden. Daher ist es häufig günstig, einen Sachverständigen zu beauftragen, der örtlich entfernt von dem beschuldigten Arzt tätig ist. Trotz größter Sorgfalt bei der Auswahl eines Sachverständigen werden immer wieder Fälle bekannt, bei denen ein sogenannter Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen erfolgreich durchgesetzt wird.
Sachverständige sind zur Neutralität und Sachlichkeit angehalten. Das gilt auch dann, wenn dieser von einer Partei unsachlich angegangen werden sollte. In einer aktuellen Entscheidung hatte ein Sachverständiger sich geweigert, die von der Klägerseite gestellten Fragen zu seinem schriftlichen Gutachten zu beantworten, da der unsachliche Ton ihm nicht gefiel. Hierin sah der Kläger keine Neutralität mehr, das Gericht gab ihm Recht.
Wenn auch selten, so kommt es in der Praxis auch hin und wieder vor, dass sich Sachverständige unsachlich gegenüber einer Partei verhält. So hatten wir erfolgreich einen Sachverständigen ablehnen können, weil er sich beleidigend gegenüber der Mandantin verhalten hat.
Ein Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen ist auch dann erfolgreich, wenn er sich zwar nicht in Richtung einer Partei, wohl aber in Richtung des Anwaltes unsachlich verhält. Denn die Vorbehalte, die er gegenüber dem Anwalt hat, sind grundsätzlich geeignet, auch dem Mandanten zu schaden.
Ein positives Gutachten macht sich natürlich bei den Verhandlungen, ob außergerichtlich oder vor Gericht, immer gut. Doch auch ein für den Patienten negatives Gutachten bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Patient keine Chancen mehr hat. Gerade Gutachten, die über die Krankenkasse oder von der Gutachterkommission erstellt werden, haben keine gerichtliche Bindung. Das bedeutet, im Verfahren wird ein neues Gutachten eingeholt werden. Dennoch empfiehlt sich zuvor eine Prüfung durch einen Fachanwalt für Medizinrecht, ob das außergerichtliche Gutachten Angriffspunkte liefert. Eine Befangenheit kann auch hier schon möglicherweise aufgedeckt werden. Sabrina Diehl