Nach einem ungeplanten Kaiserschnitt kommen jungen Müttern immer wieder Zweifel: War diese Operation wirklich nötig? Hätten die GeburtshelferInnen anders handeln können oder müssen? Die traumatisierten Frauen finden meist wenig Verständnis. Und die Hürden für eine Klage liegen hoch.
Als die Geburt losging, fuhren die werdenden Eltern in die ausgewählte Klinik. Sie wurden freundlich empfangen und in den Kreißsaal geführt. Die Frau wurde an das CTG angeschlossen und vaginal untersucht. Dann verschwand die Hebamme. Es sei leider viel zu tun, alle Kreißsäle seien belegt, sie seien derzeit nur zu zweit und sie müsse sich auch noch um andere Frauen kümmern. Sie komme aber so schnell es ginge wieder. Sie ging, kam nach einiger Zeit wieder und musste wieder gehen. Stunden später hieß es, die Herztöne seien so schlecht – Kaiserschnitt.
Die Frau möchte keinen Kaiserschnitt – aber wenn es das Baby rettet, dann ist sie natürlich einverstanden und er soll gemacht werden. Alles geht schnell, die Eltern sind dankbar – ein Glück, dass geholfen wird! „Der Kaiserschnitt hat das Leben meines Babys gerettet“, denkt die Mutter dankbar.
Monate später kommen ihr Zweifel – wenn sie besser betreut worden wäre, wenn früher aufgefallen wäre, dass die Herztöne schlechter wurden, wenn jemand da gewesen wäre ... und waren die Herztöne wirklich so schlecht? Vielleicht wäre ihr Baby nach einem klein wenig mehr Zeit doch von allein gekommen? Irgendetwas stimmt da nicht. War der Kaiserschnitt wirklich notwendig? Sie möchte gerne ein weiteres Kind und sie weiß um die Risiken, die durch den Kaiserschnitt für eine weitere Schwangerschaft und Geburt entstanden sind. Das verunsichert sie sehr. Vielleicht war der CTG-Knopf nur verrutscht? Die Zweifel werden größer.
Monate nach der Geburt spricht sie mit ihrem Mann darüber. „Schatz, du spinnst. Sei froh, dass dein Baby lebt.“ Er hat kein Verständnis – sie solle sich nicht so anstellen. Die Zweifel verschwinden aber nicht. Nach dem Aufwachen hatte es zwei Stunden gedauert, bis ihr das Baby gebracht wurde. Sie hatte die ersten Stunden des Lebens ihres Babys verpasst – vielleicht unnötig? Ihr Mann war in den ersten Lebensstunden dabei gewesen, aber er kann ihre Fragen nicht beantworten, weiß nicht mehr, wie es gerochen hat und ob es beim Anziehen geweint hat. Sein Nicht-Wissen macht sie erst traurig und dann aggressiv. Er war doch dabei, er hatte sie ersetzen sollen, warum wusste er diese unwiederbringlichen Dinge nicht?
Nach der Operation war sie viele Tage zu schwach gewesen, um ihr Baby halten zu können. Alle hatten ihr Baby auf dem Arm gehabt, an ihm geschnuppert, es gewiegt, wenn es weinte. Alle – nur sie nicht! Sie war ja zu schwach gewesen – wegen des Kaiserschnitts. Und wenn die Klinik einfach nur den Kreißsaal frei haben wollte, für die nächste Geburt? Hatte der Arzt gelogen? Sie spricht mit ihrer besten Freundin darüber. „Mensch, sei doch froh, dass es nach nur sechs Stunden im Krankenhaus ein Kaiserschnitt war, da musstest du nicht so lange leiden. Die Geburt von meinem Sohn hat 28 Stunden gedauert und ich hab gebrüllt und um den Kaiserschnitt gebettelt!“ Die Freundin meint, sie könne sich doch glücklich schätzen. Sie hat kein Verständnis.
Die Zweifel bleiben
Die Frau versucht einige Zeit, nach vorne zu schauen und Frieden zu schließen. Aber das Stillen hatte auch nicht geklappt, dabei hatte sie es so sehr gewollt. Auch das die Schuld des Kaiserschnittes? Die Zweifel kommen wieder. Sie spricht mit ihrer eigenen Mutter darüber. „Ach, Kind! Ich hab dich auch nicht gestillt, ja und? Dir geht es doch gut – und du hast ein gesundes Kind. Also sei nicht so undankbar!“ Die Frau versucht, dankbar zu sein. Aber die Zweifel nagen weiter. War der Schnitt wirklich notwendig? Sie will Klarheit. Sie muss wissen, was wirklich passiert ist. Also ruft sie im Kreißsaal an und bittet um ihre Akte. Sie liest sie wieder und wieder, schlägt die medizinischen Fachbegriffe nach. Aber sie versteht nicht wirklich, was dort steht. Sie bittet um ein Nachgespräch in der Klinik. Ihr Mann lehnt ab, sie zu dem Gespräch zu begleiten. Er will das Kapitel endlich schließen!
Während des Gesprächs versichert ihr der Chefarzt in Anwesenheit des Klinikjustiziars, dass selbstverständlich zu jedem Zeitpunkt die Sicherheit im Vordergrund gestanden habe und natürlich alles lege artis erfolgt sei. Geburt sei leider kein Wunschkonzert, was sie sich denn vorgestellt habe und sie habe doch ein gesundes, munteres Kind, ob sie die Liebe zum Kind denn nicht glücklich mache? Die Frau versucht glücklich zu sein und in der Liebe zu ihrem Kind Trost zu finden. Aber ihre Frage nach dem CTG hat der Arzt gar nicht beantwortet. War das jetzt so schlecht, dass der Kaiserschnitt unbedingt notwendig war?
Sie zeigt den Ausdruck ihrer Gynäkologin, der sie sehr vertraut. Diese interpretiert das CTG als nicht so auffällig, als dass sofort ein Kaiserschnitt nötig gewesen wäre. Die Frau weint, wird wütend, denkt daran, die Klinik zu verklagen. Die Gynäkologin rät ihr ab: „Das wird sehr schwer – im Zweifel wird der Arzt sagen, er habe aus Sorge um das Kind so handeln müssen. Und das Kind geht auf jeden Fall vor; kein Richter würde dem Arzt daraus einen Vorwurf machen.“ Sie empfiehlt der Frau eine Hebamme, die Frauen nach traumatischen Geburten begleitet. Aber die Krankenkasse würde die Kosten dafür nicht übernehmen und auf einen regulären Psychotherapieplatz müsste sie zwei Jahre lang warten. Also keine Therapie.
Sie denkt weiter an eine Klage. Vor Gericht würde doch nach der Wahrheit gesucht, da müsse doch endlich rauskommen, ob der Schnitt nötig war oder nicht. Sie spricht mit ihrem Mann darüber. „Schatz, spinnst du? Wer soll das denn bezahlen? Dir und dem Kind geht es doch gut, also lass jetzt endlich gut sein. Und überhaupt: Du müsstest vor Gericht aussagen – da kommt doch nur alles wieder hoch und es wird noch schlimmer!“ Davor, alles wieder durchleben zu müssen, hat die Frau Angst. Aber sie hat auch das Gefühl, dass sie es wissen muss und dass ihr Mann sie im Stich lässt. So wie er sie unter Geburt nicht beschützt hat, zugelassen hat, dass es zum Kaiserschnitt kam, so beschützt er sie auch jetzt wieder nicht. Die Ehe ist belastet. Der Gedanke, dass der Schnitt vielleicht unnötig war, lässt sie nicht los. Nach Monaten ruft sie bei einem Rechtsanwalt an. Die Rechtsanwaltsgehilfin, der sie ihre Geschichte schildert, fragt, wann das denn gewesen sei. „Mein Kind wird jetzt vier“, sagt die Frau. Dann sei es eh’ zu spät, solche Fälle würden nach drei Jahren verjähren. Die Frau gibt entmutigt auf.
Kein Verständnis
Die Geschichte ist erfunden. Oder auch nicht: Sie setzt sich zusammen aus unterschiedlichen Berichten von Frauen, deren Geburten so oder ähnlich abgelaufen sind. Sie erlebten die innere Überzeugung, dass etwas falsch ist. Die Umgebung reagierte mit Unverständnis, formulierte manchmal Vorwürfe. Viele Väter sind ebenfalls Leidtragende: Sie sind dem Anspruch, ihre Partnerin zu beschützen, nicht gerecht geworden, und dies wirkt sich negativ auf die Partnerschaft aus. Die Frauen wünschen sich Klarheit und müssen ihre eigene Wahrnehmung wieder in Einklang bringen mit der Außenwelt, ihr Weltbild zurechtrücken. Sie sagen: „Ich dachte, ich bin verrückt – ich hab mich an das Medikament doch erinnert. Aber die von der Klinik haben alle gesagt, sie hätten mir nie etwas gegeben. Alle haben sie das gesagt – und ich dachte, bin ich jetzt wahnsinnig.... .“
In vielen Fällen wäre es ausreichend gewesen, dass die GeburtshelferInnen die Frauen ernst nehmen, ihnen zuhören und Dinge erklären. „Ich will, dass sie mich wie einen Menschen behandeln, nicht wie die Sau beim Schlachter: Im OP hat keiner mit mir geredet!“ Manchmal würde auch dazu gehören, einen Fehler zuzugeben oder Sachverhalte zu erklären, ggf. auch nachträglich. Oder sich einfach dafür zu entschuldigen, dass etwas nicht gut gelaufen ist. „Ich wollte, dass sie sagen: Frau X, Sie hatten Recht. Das haben wir in dem Moment nicht gut gemacht, das hätte anders laufen müssen – entschuldigen Sie bitte. Wie können wir Ihnen helfen?“
Von einer Klage, in der Regel einer Zivilklage, versprechen sich die Frauen Genugtuung: Vor Gericht wird die Wahrheit heraus kommen und es wird öffentlich anerkannt werden, dass etwas falsch gelaufen ist. Leider ist die vorherrschende Meinung, dass eine Klage gegen einen Kaiserschnitt keinen Erfolg haben wird. Der Kaiserschnitt gilt immer noch als sicherer Königsweg, als Lebensrettende Maßnahme und die Frauen erfahren wenig Unterstützung für ihr Anliegen. Andere sind einfach zu erschöpft, um sich den Anstrengungen einer erneuten, detaillierten Auseinandersetzung mit dem Erlebten zu stellen oder haben Angst vor einer Re-Traumatisierung. Wieder andere finden keinen Anwalt, der sie vertreten würde. Denn auch unter Juristen ist die Meinung verbreitet, dass die Frau ja „keinen Schaden“ habe, solange sie selbst lebe und ihr Kind gesund sei.
Selbst im Fall einer Frau, die längere Zeit in psychologischer Behandlung in einer Tagesklinik war, hieß es: „Sie haben ja keinen Schaden.“ Einer Frau sind in einer norddeutschen Klinik während einer medizinisch nicht nötigen Sectio ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung auch noch die Eileiter durchtrennt worden – sie fand erst Unterstützung durch einen Anwalt, als sie sich an den Mann einer Frau wandte, die ebenfalls Kaiserschnittopfer ist. Ein nicht durchgeführter Kaiserschnitt gilt als Unterlassung, ein durchgeführter Kaiserschnitt als lebensrettende Maßnahme.
Juristische Hürden
Sabrina Diehl, Fachanwältin für Medizinrecht in Marl, betreut trotzdem gerade einen solchen Fall: Die Frau ist sich sicher, zu unrecht aufgeschnitten worden zu sein. Es ist tatsächlich oft schwer zu belegen, dass der Kaiserschnitt wirklich unnötig war: Die Zeugenaussagen widersprechen sich, die Dokumentation ist unvollständig und manchmal im Nachhinein verändert worden – doch das Geschriebene gilt, auch wenn es falsch oder von minderer Qualität ist. Einige Frauen sagten, es wäre ihnen schon hilfreich, überhaupt juristische Unterstützung zu finden. Auch Rechtsanwältin Diehl ist sich sicher: Den meisten Frauen geht es um Anerkennung und Genugtuung, nicht um das Geld, was am Ende häufig bei außergerichtlichen Einigungen herauskommt. Viele Frauen legen das Geld für ihre Kinder an, einige bezahlen privat eine notwendige traumatologische Behandlung, um nicht jahrelang auf einen Kassenplatz warten zu müssen.
Die Anwältin möchte den Frauen Mut machen: Viele sind durch die relativ kurze Verjährungsfrist von drei Jahren entmutigt. Teilweise brauchen die Frauen Jahre, um sich überhaupt mit ihrem Geburtserlebnis auseinandersetzen zu können und die drei Jahre sind schnell um. Dabei gilt die Frist nach Aussage von Frau Diehl gar nicht ab Geburt, sondern ab dem Zeitpunkt „wo der Frau aufgefallen ist, dass was falsch gelaufen ist.“ Diese „falsch gelaufen“ muss nicht einmal der Zeitpunkt sein, an dem die Dokumentation angefordert wurde, sondern kann auch ein späterer Moment sein. Beispielsweise wenn der Betroffenen durch eine andere Fachperson die Eintragungen erklärt werden oder ein noch späterer Moment, wo Widersprüche zwischen der Dokumentation und der Erinnerung der Betroffenen realisiert werden. Es liegt dann an einer guten Rechtsvertretung plausibel zu machen, dass dieser Zeitpunkt so liegt, dass keine Verjährung eingetreten ist. Aber auch wenn die Beweislage kompliziert ist und von Fall zu Fall entschieden werden muss, würde Sabrina Diehl nie einer Frau generell abraten, es mit einer Zivilklage zu versuchen, nur weil sie in den Augen der vorherrschenden Meinung „keine Schaden“ habe.
Manchmal ist es nicht die Sectio an sich, die zum Streitgegenstand wird. Sabrina Diehl betreut 15 Fälle, in denen Frauen bei einem Kaiserschnitt der Bauch aufgeschnitten wurde, obwohl die Anästhesie nicht wirkte. „Normalerweise wird dann eine Vollnarkose gesetzt. Das ist in diesen Fällen aber nicht geschehen.“ Von Einzelfällen kann nicht mehr gesprochen werden und sie bearbeitet auch Fälle, die sich in derselben Klinik ereignet haben. Wobei auch hier davon ausgegangen werden muss, dass nicht alle Betroffene rechtlichen Beistand suchen: Gerade bei Kaiserschnitten ohne ausreichende Anästhesie ist das Trauma groß und die Angst davor, durch einen Prozess alles noch einmal durchleben zu müssen, lässt Frauen von einer Klage Abstand nehmen. Zudem ist der Ausgang ungewiss und eine negatives Urteil setzt gerade traumatisierten Frauen besonders zu. Zudem muss die Frau bei ungünstigem Klageverlauf Kosten übernehmen, falls keine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist.
In Österreich erfolgte am 24. November 2014 ein Urteil, in dem das Gericht die Klage der Mutter abwies. Das Krankenhaus tat kein Unrecht, als die Mutter ohne Wirkung der Narkose aufgeschnitten wurde, obwohl diese ihr noch vorhandenes Schmerzempfinden äußerte – durch Gabe weiterer Narkose- und Beruhigungsmittel habe das Krankenhaus seine Schuldigkeit getan. Die Notwendigkeit eines weiteren Probezwickens und das Okay der Frau standen nicht zur Debatte. Wie lebt eine Frau damit, wenn sie sich Genugtuung und Wahrheitsfindung versprochen hat und dann von einer Richterin bescheinigt bekommt, dass die Ärzte kein Unrecht an ihr taten?
Ein Dilemma
Die Unsicherheit darüber, ob die werdende Mutter Maßnahmen wie einen Kaiserschnitt überhaupt ablehnen darf, ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Wiegt das Leben des Kindes nicht schwerer als das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Behandlungsverweigerung der Frau? Dabei ist die Rechtslage in Deutschland verhältnismäßig eindeutig: Das Kind ist rechtsfähig, also Träger von Rechten, ab seiner vollendeten Geburt (BGB §1). Vorher gelten für das ungeborene Kind im Rahmen des Paragrafen 218 und des Embryonenschutzgesetzes gewisse Schutzregelungen (siehe Link).
Darüber wird manchmal vergessen, dass auch die Mutter Rechte besitzt, die nicht automatisch ausgesetzt werden, nur weil sie schwanger ist. Kein Mensch ist dazu verpflichtet, einer Leberspende zuzustimmen – selbst wenn damit das Leben eines anderen Menschen gerettet würde. Aber wir halten es für die Pflicht der Mutter, offenherzig einer großen Bauchoperation zuzustimmen, um ihr Kind zur Welt zu bringen. Logisch ist das nicht. Und im Grunde ist es auch zutiefst Frauenverachtend: Warum gestehen wir Frauen nicht das Recht zu, einen Kaiserschnitt abzulehnen? Sobald ein Ungeborenes im Spiel ist erachten die Gesellschaft und die herrschende Moral die Risiken der Bauchoperation für die Frau als unwichtig. Wenn es um eine schwangere Frau geht, werden wie selbstverständlich Rechte und Entscheidungsprioritäten in Frage gestellt. Der Wille der Frau und ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit spielen keine Rolle mehr, denn es wird unterstellt, dass die Frau durch die Ablehnung ein wie auch immer geartetes Risiko für ihr Kind in Kauf nimmt. Die herrschende Moral hebelt das geltende Recht aus: Die Frau hat sich zu opfern und sich dem Wert unterzuordnen, den die Gesellschaft höher ansiedelt. Vielleicht wäre es angebracht eine grundsätzliche Debatte zu führen., um uns als Gemeinschaft darüber klar zu werden, dass die Frau zwar Recht hat, die Moral aber auf der Seite des Kindes ist - und was dieser Widerspruch für unser Zusammenleben bedeutet. Zieht man mögliche zukünftige Entwicklungen mit in Betracht , dann ergibt sich ein weiteres Dilemma : Wer wollte den Frauen verweigern, Genugtuung für erlittene Missachtung im Gerichtssaal zu erstreiten? Andererseits befeuert die zunehmende Klagebereitschaft die Defensivmedizin: Je mehr geklagt wird, desto defensiver werden sich GeburtshelferInnen verhalten. Und solange die Kultur des „Viel hilft viel“ auch im Kreißsaal gilt, werden im Zweifel eher Maßnahmen ergriffen als abzuwarten. Maßnahmen, die laut Evidenz eben nicht grundsätzlich zum Besten von Mutter und Kind sind. Könnte eine Kultur des Klagens gegen unnötige Kaiserschnitte daran etwas ändern? Wenn in jedem Fall mit einer Klage gerechnet werden muss, egal ob wegen eines Kaiserschnitts oder wegen der Unterlassung desselben, dann liegt in der Schnittentbindung keine größere forensische Sicherheit für die GeburtshelferInnen mehr. Könnte dies den positiven Effekt haben, unnötige Kaiserschnitte zu vermeiden?
Vertrauen verhindert Anklage
Eine negative Folgeerscheinung einer Klagekultur auch gegen unnötige Kaiserschnitte wäre hingegen noch mehr Angst im Gebärzimmer, was ein schlechteres Vertrauensverhältnis zur Folge hätte. Gerade bei Geburten ist Vertrauen jedoch immens wichtig. Frauen brauchen GeburtshelferInnen, denen sie vertrauen könne. Aber GeburtshelferInnen müssen diesem Vertrauen auch gerecht werden und es verdienen.
Was ist also die Lösung? Sicher ist, dass der allgemeine Personalmangel, der überall herrschende Zeitdruck und eine Abrechnungspraxis, die menschliche Zuwendung nicht honoriert, einen achtsamen Umgang durch die GeburtshelferInnen mit den Frauen nicht gerade fördert.
Was wäre, wenn die Frauen Genugtuung und Trost erfahren könnten, ohne diese erst vor Gericht suchen zu müssen? Alle Gesprächspartner waren sich einig, dass ein empathischer Umgang mit dem Erlebten – selbst wenn Dinge nicht gut gelaufen sind–denGedanken an eine Klage gar nicht erst aufkommen lassen würde.
Literatur:
Kommentar: http://opinioiuris.de/kommentar/bgb/1#Beginn_der_Rechtsfaehigkeit
Die Autorin
Dr. phil. Katharina Hartmann seit 2008 als wissenschaftliche Referentin Projekte zur Verbesserung der Geburtshilfe. Begonnen hat sie mit der Unterstützung der VBAC-Bewegung (Vaginale Geburt nach Kaiserschnitt) in Italien. Schon dort kam sie in Kontakt mit den Zweifeln und Nöten von Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten, und den großen Vorbehalten, welche die Gesellschaft diesen Zweifeln entgegenbringt. Seit sie als Political Activism Coordinator für Human Rights in Childbirth (HiRC)Deutschland arbeitet, setzt sie sich in enger Kooperation mit den HiRC-Juristinnen für Menschen- und Frauenrechte im Kontext von Schwangerschaft und Geburt ein. 2013 hat sie die Roses Revolution, den Tag der Aktion gegen Gewalt in der Geburtshilfe, in Deutschland initiiert. Nicht nur im Rahmen der Moderation der Roses Revolution durfte sie an unzähligen Geburtsgeschichten teilhaben. Seit März ist sie im Vorstand von Motherhood e.V. - Bundeselterninitiative zum Schutz von Mutter und Kind während Schwangerschaft, Geburt und 1. Lebensjahr. In dieser Funktion steht sie im Dialog mit Eltern, PolitikerInnen, JuristInnen und VertreterInnen des Gesundheitssektors.
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