Mit Sicherheit rechnen Sie nicht damit, dass wenn sie zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen, Opfer von Ärztepfusch werden. Umso größer das Erstaunen und die Panik, wenn es Sie doch trifft. Mit Sicherheit tauchen plötzlich viele Fragen auf: Wer kann mir helfen? Benötige ich Beweise? Welche? Darf ich mich weiter nachbehandeln lassen? Wo lasse ich mich behandeln? Bin ich überhaupt falsch behandelt worden? Wie sieht es mit meiner Zukunft aus? Dies sind nur wenige von vielen Fragen, die mir täglich Opfer von ärztlichen Behandlungsfehler stellen.
In der Regel ist es erst einmal nur ein Bauchgefühl. Ob Sie falsch behandelt wurden, könnten Sie in der Regel (abgesehen von den plakativen Beispielen wie falsches Bein operiert, Schere vergessen etc.) nicht beurteilen, Sie sind kein Mediziner.
Jetzt ist es nicht verwunderlich, dass wir als Kanzlei Ihnen dringend raten, sich zumindest bei einem Fachanwalt für Medizinrecht beraten und ggf. sodann von diesem vertreten zu lassen. Sind sie rechtsschutzversichert, trägt diese die Kosten. Auch die Beratungshilfe greift in diesem Fall. Im Folgenden zeigen wir Ihnen weitere kostenfreie Möglichkeiten auf, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben. Nicht nur wir, auch Patientenorganisationen raten geschädigten Patienten dringend, sich fachkundigen Rat einzuholen. Es gibt zahlreiche Anlaufstellen, die zumindest bereits einen ersten Überblick verschaffen können.
Gespräch mit dem betroffenen Arzt
Immer wieder berichten mir geschädigte Patienten, dass sie offensiv das Gespräch mit dem betroffenen Arzt gesucht haben. Die Erfahrung zeigt, nur die wenigsten Ärzte reagieren gelassen, wenn Sie mit dem Verdacht eines ärztlichen Behandlungsfehlers konfrontiert werden. Mit dem Patientenrechtegesetz wurde eingeführt: „Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines ärztlichen Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten darüber auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren.“ Schön in der Theorie, in der Praxis ist uns bislang noch nicht untergekommen, dass ein Arzt auf Nachfrage einen ärztlichen Behandlungsfehler zugibt. Liest man das Gesetz, müsste ich jedem Patienten den Rat geben, am Ende einer jeden Behandlung zum Abschied dem Arzt folgende Frage zu stellen: „Lieber Doktor, haben Sie mich falsch behandelt?“ Denn das unsinnige an diesem Gesetz ist, dass es keine Sanktion für den Arzt vorsieht, wenn er sie belügt. Im Übrigen könnte ein Schuldeingeständnis für den Arzt (und letztendlich auch für Sie) zu Problemen mit dem Versicherungsschutz führen. Gibt er ein Schuldanerkenntnis hab, kann unter Umständen seine Haftpflichtversicherung von der Haftung frei werden.
Nur in Ausnahmefällen zeigen Ärzte Einsicht und verweisen in der Regel sodann auf ihre Berufshaftpflichtversicherung. Verhandlungen mit dieser sollten Sie jedoch nicht ohne fachkundige Hilfe führen. Denn es gibt zahlreiche Ansprüche, die Ihnen zustehen können. Welche Ansprüche dies wären, finden Sie
hier und
hier.
Gespräch mit Hausarzt oder unbeteiligten Ärzten
In der Praxis bedeutender, wenn auch mit Vorsicht geboten, ist das Gespräch mit dem Arzt Ihres Vertrauens. In der Regel ist es der Hausarzt, der Ihnen eine erste Einschätzung dazu geben kann, ob die Behandlung seines Kollegen fehlerhaft war oder nicht. Hierbei müsse Sie einschätzen, wie sehr Sie seinen Aussagen Glauben schenken möchten. Hier machen wir unterschiedlichste Erfahrungen. Manche sind bereit, Ihren Patienten, den sie mitunter seit Jahren kennen, tatkräftig zu unterstützen. Andere möchten sich lieber nicht äußern, da sie Ihren Kollegen nicht schaden möchten „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.“ Wiederum haben so manche Angst, selbst in die Schusslinie zu geraten. Wir machen auch immer wieder die Erfahrung, dass unbeteiligte Ärzte zwar unter vier Augen von ärztlichen Behandlungsfehlern sprechen, öffentlich aber die Ansicht vertreten, dass die Verletzung, mit der Sie nun leben
müssen, auch bei ordnungsgemäßer Behandlung hätte eintreten können. Deswegen lohne sich ein Prozess nicht. Gerade letzte Einschätzung hören wir immer wieder. Hier ist größte Vorsicht geboten. Denn mit dieser Einschätzung vermengt der Arzt medizinische Sachverhalte mit juristischen Wertungen. Letzte kann er gerade nicht vornehmen. Hierzu benötigen Sie eine juristische Beratung.
Krankenkasse / MDK
Auch wenn wir häufig auf die Krankenkasse wegen teilweiser zögerlicher Leistungsbereitschaft schimpfen, so unterstützen diese Sie gerne bei ärztlichen Behandlungsfehlern. Bereits vor der Einführung des
Patientenrechtegesetzes , konnten Sie sich an ihre Krankenkasse wenden, damit diese den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (kurz: MDK) einschaltet. Seit 2013 sind die Krankenkassen verpflichtet, Sie zu unterstützen. Über den MDK werden kostenfreie Gutachten zur Frage, ob ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt, erstellt. Hiermit sind Sie bereits einen nicht unbeachtlichen Schritt weiter.
Allerdings gilt ebenfalls an dieser Stelle, es ist nur ein außergerichtliches Gutachten. Sollte das Ergebnis negativ ausfallen, sollten Sie noch nicht aufgeben. Auch dieses sollten Sie wenigstens im Rahmen einer Erstberatung durch einen Patientenanwalt prüfen lassen. Nicht selten sind Gutachten qualitativ unbrauchbar oder es werden falsche juristische Schlüsse gezogen. Nicht selten haben wir geschädigten Patienten trotz negativen außergerichtlichen
Gutachtens dazu geraten, Klage gegen eine Klinik einzureichen - und haben gewonnen. Auch wenn ein MDK Gutachten vorliegt, holen Gerichte ein neues
unabhängiges Sachverständigengutachten ein. Die Karten werden also neu gemischt.
Die
Verjährung wird durch dieses Verfahren nicht gehemmt. Daher müssen Sie darauf achten, dass das Verfahren nicht zu lange dauert.
Gutachterkommission der Ärztekammer
Hierbei gilt dasselbe wie bei einem MDK Gutachten. Es wird ein kostenfreies Gutachten eingeholt. Voraussetzung ist jedoch (im Gegensatz zum MDK), dass der gegnerische Arzt bzw. das Krankenhaus die Zustimmung erteilt. Es mehren sich die Verfahren, in denen die Zustimmung nicht erteilt wird. In diesem Fall ist das Verfahren schnell abgeschlossen, die möglichen weiteren Schritte an dieser Stelle wären das Einholen eines MDK Gutachtens oder, sollte dies bereits geschehen sein, der Eintritt in ein Klage-Verfahren. Das Ergebnis der Begutachtung aber ist für die Parteien nicht bindend. Nicht selten werden positive Gutachten von den Ärzten bzw. ihren Versicherungen nicht akzeptiert. Dann haben Sie viel Zeit verloren.
Wie bereits erwähnt, ist das Ergebnis der Begutachtung für die Parteien nicht bindend. Auch ein negatives Gutachten kann in einem gerichtlichen Verfahren gekippt werden. Es ist nur ein außergerichtliches Gutachten. Hier sollten Sie ebenfalls das negative Gutachten durch einen Patientenanwalt überprüfen lassen. Bei der Gutachterkommission arbeiten zwar Mediziner und Juristen zusammen und es ergeht ein Bescheid, in dem auch teilweise juristische Aspekte angerissen werden, allerdings handelt es sich jedoch um ein rein schriftliches Verfahren, in dem nur die Behandlungsdokumentation ausgewertet wird. Sind darin Dinge dokumentiert, die nicht den Tatsachen entsprechen, haben Sie nicht die Möglichkeit des Gegenbeweises. Auch können Sie keine ergänzenden Fragen an Sachverständige stellen. Ziehen hier Sachverständige falsche juristische Schlüsse (was nicht selten auch in gerichtlichen Verfahren vorkommt), haben Sie keine Möglichkeit, mit dem Sachverständigen einzelne Fragen zu erörtern. Nicht selten liegen die Unterlagen nicht vollständig vor. Ein gerichtliches Verfahren hingegen bietet die Möglichkeit, Akteneinsicht zu nehmen und vor allem mit
Sachverständigen zu sprechen und verschiedene Fragen zu diskutieren. Nicht selten ergeben sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor Gericht völlig neue Aspekte.
Der Nachteil dieses kostenfreien außergerichtichen Verfahrens ist die lange Dauer. Dieses Verfahren dauert derzeit zwischen 1 bis 1,5 Jahren. Achtung: Nicht immer ist durch dieses Verfahren die
Verjährung gehemmt. Die Gutachterkommission achtet hierauf nicht und berät Sie auch nicht, ob in Ihrem Fall die Frist zur Einreichung der Klage abläuft.
Privatgutachten
Viele - unter anderem auch Rechtsanwälte - empfehlen die Einholung eines Privatgutachtens. Ungeachtet dessen, dass dieses in der Regel mehrere Tausend Euro kostet, sehen wir ein solches Privatgutachten skeptisch. Grundsätzlich sind Gerichte zwar angehalten, derartige Gutachten mit für ihre Entscheidung einzubeziehen und zwar gerade dann, wenn es im Widerspruch zu den Ausführungen des
gerichtlichen Gutachters steht, allerdings können die Ärzte der
Gegenseite dann Gegengutachten einholen (sie sitzen ja quasi an der Quelle) und das Gericht kann sich nie dem Eindruck erwehren, dass es sich um ein parteiliche Gutachten handelt. Oder schenken Sie einem vom Arzt eingeholten Gutachten Glauben? Aber auch hier gilt, es gibt Einzelfälle, in denen durchaus die Einholung eines Privatgutachtens zielführend ist. Gerne besprechen wir dies mit Ihnen.
Verbraucherzentrale
Die Verbraucherzentralen bieten geschädigten Patienten eine Beratung an. Hierbei werden in der Regel Tipps dazu gegeben, wie Sie sich verhalten können. Wir freuen uns über den Einsatz, aber auch hier erhalten Sie den Rat, dass Sie für eine qualifizierte Beratung ein Gespräch mit einem spezialisierten Fachanwalt für Medizinrecht suchen sollten. Denn die Verbraucherzentralen sind bereits personell nicht in der Lage, Behandlungsdokumentationen anzufordern und auszuwerten, eine juristische Einschätzung zu den Erfolgsaussichten in Ihrem Fall abzugeben und vor allem den eingetretenen Schaden zu bewerten. Vertreten können diese Sie gegen Ärzte ebenfalls nicht. Für die Einschätzung ist gerade nicht nur die theoretische sondern auch die praktische Erfahrung von entscheidender Bedeutung. Es gilt zu bedenken: Für das Arzthaftungsrecht gibt es nur sehr wenige gesetzliche Regelungen. Das Arzthaftungsrecht hat
sich über Jahrzehnte durch die Rechtsprechung entwickelt. Regelmäßig gibt es neue Entscheidungen, die die bisherige Rechtsprechung verfeinern. Es ist nicht Aufgabe der Verbraucherzentralen, sich in einzelnen Rechtsgebieten fortzubilden und Sie rechtlich vollumfänglich zu beraten und zu vertreten.
Patientenberatungsstellen
Ähnlich wie mit der Verbraucherzentrale verhält es sich mit den zahlreichen Patientenberatungsstellen. Hier gibt es zahlreiche sehr engagierte Stellen, keine Frage. Allerdings gibt es auch hier qualitative Unterschiede. Oft arbeiten Menschen dort ehrenamtlich, so dass die personelle Ausstattung eher gering ist.
Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppen bieten gerne ihre Hilfe an und berichten über Erfahrungen. Wir begrüßen grundsätzlich den Einsatz, geben jedoch auch hier zu bedenken, dass diese keinesfalls eine juristische Beratung ersetzen können. Denn jeder Fall ist individuell gestaltet und Selbsthilfegruppen sollten vor allem dazu dienen, sich gegenseitig vor allem seelisch zu unterstützen. Gerade beliebte Sätze wie: „Mein Anwalt sagt, dass…“ sind wenig zielführend, da diese Aussage nicht für Ihren Fall zutreffen muss und leider auch immer wieder Informationen falsch verstanden werden.
Wenn Sie diese Informationen für den eigenen Gebrauch oder die Weiterleitung an Freunde, Verwandte oder Bekannte benötigen, können Sie eine Zusammenfassung im Format einer PDF-Datei gerne hier herunterladen:
PDF Informationsblatt "Anlaufstellen bei Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler" (wird derzeit aktualisiert)
Die vorangegangenen Ausführungen dienen nur dem Überblick, welcher Weg für Ihren Fall der richtige ist, muss individuell beurteilt werden.