Quelle: "Ruhr Nachrichten" 23.05.24 - Werner von Braunschweig
Umstrittene Amputation: Einigung im Schmerzensgeld-Streit?
Dortmund/Herne/Bochum. Nach einer umstrittenen Amputation fordert ein Krebspatient 300.000 Euro Schmerzensgeld. Die verklagte Herner Klinik ist inzwischen gesprächsbereit.
Die Entscheidung über die 300.000-Euro-Schmerzensgeldklage eines Familienvaters (35), dem vor vier Jahren in einem Dortmunder Krankenhaus ein Bein amputiert werden musste, ist vertagt worden. Der geplante Verkündungstermin am Bochumer Landgericht wurde verschoben. Wie eine Gerichtssprecherin bestätigte, haben beide Streitparteien mitgeteilt, dass sie sich aktuell in außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen befinden. Im ersten Gerichtstermin vor der 6. Zivilkammer am 24. April war diese Option von beiden Seiten noch rigoros ausgeschlossen worden. Der Verkündungstermin wurde nun auf den 12. Juni verschoben. Sollte bis dahin tatsächlich eine Einigung über Schmerzensgeld und Schadenersatz zustande kommen, würde auch der neu anberaumte Verkündungstermin aufgehoben. Der Kläger und seine Rechtsanwältin Sabrina Diehl sind fest davon überzeugt, dass der 35-Jährige im März 2020 in dem Dortmunder Krankenhaus „das Bein nicht hätte verlieren müssen". Der Familienvater fordert 300.000 Euro Schmerzensgeld, außerdem die Feststellung, dass ihm nach der Bein-Amputation auch sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen sind. Verklagt ist nicht das Dortmunder Krankenhaus, sondern eine Herner Klinik. Denn einige Wochen bevor der 35-Jährige im März 2020 zum Einholen einer Zweitmeinung in das Dortmunder Krankenhaus gewechselt war, hatte er in der Herner Klinik eine Chemo- und Strahlentherapie durchlaufen. Dabei waren schon früh Durchblutungsstörungen und Schmerzen im rechten Bein aufgetreten, die sich auch durch zwei Operationen in Herne nicht lindern ließen.
„Es war bereits zu spät"
Nach dem Klinikwechsel nach Dortmund wurde der dramatische Befund bestätigt. „Folgerichtig", so ein Gutachter im Prozess, wurden dann in dem Dortmunder Krankenhaus auch Maßnahmen ergriffen, die aus seiner Sicht zuvor in Herne vorwerfbar ausgeblieben waren. „Aber zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät", legte sich der Gutachter fest. Eine Beinamputation ließ sich nicht mehr verhindern. Gleich zwei befragte medizinische Sachverständige bescheinigten den Herner Ärzten zuletzt im Prozess „grobe Behandlungsfehler". Die Kritik konzentrierte sich vor allem auf die Nichtgabe von gerinnungshemmenden Medikamenten (ASS oder Heparin) spätestens mit Beginn der Therapie. Außerdem sei die Herner Operationsstrategie zu bean-standen. Dringend erforderliche operative Maßnahmen seien trotz hochgradiger Verdachtsmomente ausgeblie-ben. Aufseiten der verklagten Klinik war bisher immer der Standpunkt vertreten worden, die Behandlung sei einwandfrei gewesen. Angesichts der deutlichen Fehler-Kritik der zwei medizinischen Experten erfolgte möglicherweise nun doch ein Umdenken.