Viele Fragen und enttäuschte Erwartungen im Verhältnis Patient und Behandler
Muss mein Arzt mich bei Behandlungen über mögliche Zusatzkosten informieren?
Welche Rechte habe ich bei einem Behandlungsfehler? Erhalte ich von meinem Arzt in einem solchen Fall alle wichtigen Behandlungsunterlagen? Solche und andere Fragen erhalten Patientenanwälte, wie Sabrina Diehl aus Oberhausen, häufig (siehe Interview). Ein Zeichen dafür, dass das neue Patientenrechtegesetz noch immer viele Fragen aufwirft.
Dabei ist das Gesetz jetzt im Februar genau ein Jahr in Kraft und regelt das Verhältnis zwischen Patient und Behandler, beispielsweise Arzt, Zahnarzt, Hebamme, Krankengymnast, Psychotherapeut oder Heilpraktiker. Auch gesetzliche Krankenkassen müssen gewisse Fristen berücksichtigen.
Viele Neuerungen beinhaltet das Gesetz jedoch nicht und Wichtiges fehlt: eine ausgewogene Beweislast bei Behandlungsfehlervorwürfen, ein besserer Schutz der Patienten vor medizinisch nicht notwendigen und unnützen Behandlungen sowie die Verpflichtung der Ärzte, eine ausreichend hohe Haftpflichtversicherung abzuschließen bzw. Schadenersatzansprüche durch einen Härtefallfonds
sicherzustellen.
Doch auch wenn nicht alle Erwartungen erfüllt werden, ist das Gesetz ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung: Ärzte und Patienten sollen mehr Transparenz über die bestehende Rechtslage erhalten. Hier die wichtigsten Inhalte:
Patientenakten einsehen
Ärzte müssen alle wichtigen Daten zu Behandlungen dokumentieren und zehn Jahre lang aufbewahren – in einer Akte oder elektronisch. Patienten dürfen die Unterlagen jederzeit einsehen und Kopien anfertigen. In begründeten Fällen kann der Arzt die Herausgabe der Akte jedoch verweigern, zum Beispiel wenn die Informationen darin den Gesundheitszustand des Patienten negativ beeinflussen könnten. Das kann etwa bei depressiven Patienten der Fall sein, deren Genesung noch sehr lange dauert und für die das Einsehen der Akten eine zusätzliche psychische
Belastung darstellt.
Informieren und über Zusatzkosten aufklären
Der Arzt muss seinen Patienten vor der Behandlung verständlich und umfassend über Diagnose, geplante Therapien, Risiken und Alternativen informieren und die geplante Behandlung in einem Vertrag festhalten. Das schließt auch Behandlungen mit ein, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden – sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). Tut er das nicht, muss der Patient die Leistung nicht zahlen. Auch über einen möglichen Behandlungsfehler muss der Arzt den Patienten informieren, allerdings nur, wenn dieser selbst nachfragt oder dadurch eine gesundheitliche Gefahr droht. Informiert ein Arzt nicht über mögliche Behandlungsfehler, drohen ihm keine juristischen Konsequenzen.
Behandlungsfehler beweisen
Bei einfachen Behandlungsfehlern muss weiterhin der Patient beweisen, dass ihm ein Schaden entstanden ist. Kranken- und Pflegekassen unterstützen ihn beim Durchsetzen von Ansprüchen – zum Beispiel durch medizinische Gutachten, die die Beweisführung erleichtern. Nur bei groben Fehlern – wie einer vergessenen Schere im Bauch – dreht sich die Beweislast um. Kommt es zu Schadenersatzforderungen, muss der Arzt nachweisen, dass sein Fehler den Schaden nicht herbeigeführt hat.
Anträge beschleunigen
Wenn jemand eine bestimmte Leistung bei seiner Krankenkasse beantragt, dann muss diese innerhalb von drei Wochen eine Entscheidung mitteilen. Wird der Antrag vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MdK) oder anhand eines zahnärztlichen Gutachtens überprüft, verlängert sich diese Frist auf fünf beziehungsweise sechs Wochen. Krankenkassen müssen begründen, wenn sie diese Fristen nicht einhalten können, ansonsten gilt der Antrag als genehmigt.
Drei Fragen zum Patientenrechtegesetz
Wer den Schaden hat ...
Sabrina Diehl, Fachanwältin für Medizinrecht, gibt Auskunft über Patientenhilfe, anfallende Gebühren und Prozesskosten.
Was genau machen eigentlich Patientenanwälte?
Sie konzentrieren sich auf die Durchsetzung von Schadensersatz und Schmerzensgeld für Patienten, die Opfer einer fehlerhaften Behandlung geworden sind.
Kommt eine Rechtsschutzversicherung für anfallende Kosten und Gebühren auf?
Die Rechtsschutzversicherung kommt für alle gesetzlichen Gebühren auf, wenn die Versicherung zum Zeitpunkt der fehlerhaften Behandlung bestanden hat. Hierzu zählen neben den Gebühren des Anwalts auch die (im Falle des Unterliegens eines gerichtlichen Verfahrens zu tragenden) Gebühren des gegnerischen Anwalts, die Gerichtskosten sowie Kosten der Beweiserhebung, also Gutachterkosten, Zeugengelder usw.
Was ist, wenn der Patient keine Rechtsschutzversicherung hat und die Kosten nicht selbst tragen kann?
Zum einen gibt es Prozessfinanzierer, die alle oben genannten Kosten absichern und, wenn der Prozess gewonnen wird, eine Beteiligung vom erstrittenen Schmerzensgeld erhalten. Bevor ein Prozessfinanzierer eine Zusage erteilt, prüft er die Erfolgsaussichten. Außerdem besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe beim Gericht zu beantragen, wenn dem Gericht nachgewiesen wird, dass man nicht in der Lage ist, den Prozess zu finanzieren und das Gericht die Sache grundsätzlich für aussichtsreich hält. Diese deckt jedoch im Falle des Unterliegens nicht die Gebühren des gegnerischen Anwalts ab. Die Inanspruchnahme eines Prozessfinanzierers ist somit sicherer und man erhält vorab eine juristische Einschätzung von einem unbeteiligten Dritten.