SYMPOSIUM "Eltern medizingeschädigter Kinder" berichten in der Spessart-Klinik über ihre leidvollen Erfahrungen
BAD ORB (chhe). Im Februar 2014 verlieren Tanja Gethöffer und ihr Mann Christian ihren dreijährigen Sohn Maximilian. Noch heute muss sie die Tränen zurückhalten, wenn sie davon erzählt. Infolge eines medizinischen Behandlungsfehlers stirbt ihr kleiner Max. "Der Tod meines Sohnes wäre vermeidbar gewesen", klagte Gethöffer beim ersten Symposium zum Thema "Medizinische Schädigungen" in der Spessart-Klinik in Bad Orb an.
Auf die Beine gestellt hat die Mutter aus Bad Orb das Symposium mit dem Verein, den sie nach dem Verlust ihres Sohnes gründete: "Eltern medizingeschädigter Kinder" (EmK). "Auf unserer Suche nach Hilfe und Trost stellten wir fest, dass es in Deutschland keine Anlaufstelle für Eltern in unserer Situation gab, also gründeten wir EmK", sagt Gethöffer.
Die Geschichte ihres kleinen Sohnes Maximilian ist die eines ständig abgewiesenen Patienten. Er sei kein Notfall gewesen, obwohl er dringend Hilfe benötigte, blickt die Vorsitzende von "Eltern medizingeschädigter Kinder" zurück. Er litt an einer krankhaften Veränderung des Brustkorbs und deswegen immer öfter an Atemnot. Eine Operation hätte ihn wohl retten können. Doch er starb. Die junge Mutter leidet seitdem an Depressionen und Panikattacken, wie sie dem zahlreich erschienenen Publikum im Saal der Spessart-Klinik in Bad Orb erzählt. Doch "man kann nichts an dem Tod ändern, aber an der Zukunft", und so hat sie es sich gemeinsam mit ihrem Mann Christian zur Aufgabe gemacht, auf die Situation in deutschen Krankenhäusern aufmerksam zu machen, gemeinsam mit Menschen, die ähnliche Schicksale erleiden mussten. Das gemeinsame Ziel sei es, Betroffenen mit Gesprächen zur Seite zu stehen sowie sie in Rechtsfragen zu unterstützen. "Nur wenn strafrechtlich vorgegangen wird, kann sich gesetzlich etwas ändern, so Gethöffer. Bereit sei der Verein zum Dialog und zu kritischen Gesprächen mit Ärzten und Kliniken, "wir können nur gemeinsam etwas ändern," sagt sie weiter.
Im Rahmen des Symposiums in der Kurstadt erzählten auch andere Betroffene aus ganz Deutschland ihre Geschichte - so auch Melanie Lang, die aus Bonn den Weg nach Bad Orb fand. Ihre Tochter Charlotte ist vor neun Jahren an einem Behandlungsfehler gestorben - als Frühgeburt in der "Grauzone" der 23. Schwangerschaftswoche. "Meine Tochter wurde nie als Mensch gesehen", klagte Lang bei ihrer Rede an. Untersuchungen hätten ein gesundes Kind gezeigt. Als Melanie Lang sich dann eine starke Erkältung zuzog, kam es zur Frühgeburt. Doch es kümmerte sich lediglich eine Hebamme um Charlotte. Ein Gutachten beweist nach Langs Angaben die Schuld der Hebamme am Tod ihres Kindes. "Meine Tochter hätte von einem Neontologen behandelt werden müssen, sie hatte eine 30 prozentige Überlebenschance", ist Lang noch immer wütend. Doch ihr Kind starb, da kein Arzt es nach der Frühgeburt behandelte. 2011 begann dann der Prozess gegen die Klinik, zuerst wurde die Klage abgewiesen, doch mit einem neuen Privatgutachten wurde der Fall wieder aufgerollt. Sie gewann, doch die Gegenseite ging in Berufung, ein Ende des Prozesses und somit etwas Ruhe für die Mutter scheint noch nicht in Sicht. "Solange es keine gerechten Gesetze gibt, wird sich nichts ändern", stellt die Bonnerin fest. Im Anschluss an die Erfahrungsberichte von Betroffenen referierte Dr. med. Jürgen Seeger über den Umgang mit Behandlungsfehlern und die Fehlerkultur unter deutschen Ärzten und in Krankenhäusern. Er nannte unter anderem die schlechte gesundheitspolitische Lage in Deutschland, weshalb es zu derart tragischen und vermeidbaren Fällen komme. "Personalknappheit führt leider zu mehr Fehlern", sagte der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin am Neuromuskulären Zentrum Rhein-Main. Auch am Eingestehen von Fehlern müsste sich bei Ärzten grundlegend etwas ändern. Außerdem klärte Sabrina Diehl, Fachanwältin für Medizinrecht, über die Rechte auf, die Eltern und ihre Kinder haben. Viele Betroffene würden diese gar nicht kennen, bedauert die Fachanwältin.
Es gibt noch viel zu tun, um tragische Geschichten wie die von Maximilian und Charlotte zu verhindern, doch die "Eltern medizingeschädigter Kinder" wollen nicht aufgeben.